… verbeugt sich
Das Salz der Erde
Für Pete Seeger
Da steht dieser hagere Mann vor dem Mikrofon, verletzlich fast in seiner knochigen Gestalt, aber mit einem unbändigen Blitzen in den Augen. Vor ihm ein Mikrofon und Tausende, Hunderte oder auch nur Dutzende Zuhörer. Und dieses merkwürdig lange Banjo über der Schulter; die ganze Figur ein Ausrufungszeichen. Er wird ein paar Akkorde brauchen – und vielleicht eine gut erzählte Geschichte -, und er wird sie in seinen Bann geschlagen haben. Sie werden gemeinsam mit ihm singen, und dann – so hofft er – werden sie kämpfen wollen.
Pete Seeger starb am 27. Januar 2014, und wir dürfen hoffen, dass es ein gnädiger Tod gewesen ist. Denn wenige Menschen dürften so während ihres Lebens mit sich eins und zugleich der Menschheit verbunden gewesen sein. Er schmiss sein Studium, um herauszufinden, was die „wirkliche“ Volksmusik Amerikas sei, und entdeckte das Banjo, von Sklaven in die USA gebracht und dort – als 5-String-Banjo – in die Musik der weißen Bewohner der Ostküste integriert. Das war sein Instrument, das er meisterlich beherrschte und mit dem er das Publikum mitriss, aber mit dem er auch auf eine andere, stille Art Folksongs, Jazz oder Bach interpretierte.
Das Instrument und der Gesang waren aber nur Medien. Was er wollte, war, dass Menschen gemeinsam singen und darüber erkennen, dass – abseits der Ideologien – nur wenige Werte zählen: Frieden, ein gutes Einkommen, Toleranz und Völkerverständigung, und dass es sich lohnt, dafür einzutreten. Das hört sich heute banal an, war es aber zu seinen Lebzeiten nicht: Noch bevor es den Begriff der Weltmusik überhaupt gab, popularisierte Pete Seeger Lieder wie „Guantanamera“ aus Kuba oder „Whimoweh“ aus Südafrika. Dass das deutsche Lied „Die Gedanken sind frei“ auch bei fortschrittlichen Chören in den USA präsent ist, geht auch auf ihn zurück.
Ein Querkopf war er auch: Während des zweiten Weltkriegs heiratete er in den USA eine Japanerin, Toshi Seeger. Dem „Komitee für unamerikanische Aktivitäten“ verweigerte er die Zusammenarbeit. Die Erfolgsband „The Weavers“ zerbrach, weil er keinen Werbe-Jingle für die Zigarettenindustrie aufnehmen wollte.
Ach, was bleibt? Pete Seeger hat in seinem Vorwort für seine Biografie „How Can I Keep from Singing“ ein Gleichnis erzählt:
„Stellt euch eine große Wippe vor. Das eine Ende liegt unten, niedergehalten durch einen Korb voll von Steinen. Das andere Ende ragt empor und ist halb gefüllt mit Sand. Ein paar von uns haben Teelöffel und versuchen, dieses Ende aufzufüllen. Die meisten, die zusehen, sagen: ´Es geht genausoviel verloren, wie ihr hineinschaufelt, es ist sinnlos.´
Aber wir sagen: ´Nein.´ Es dauert, aber wir sehen genau hin, und unser Ende wird immer mehr gefüllt. Und es kommen immer mehr Menschen mit Teelöffeln. Irgendwann wird diese Wippe ´mal kippen…“
Singt seine Lieder.
Joachim Hetscher